Stefanie und Susanne.
Eigentlich wäre der Text damit beendet, denn genau das ist es, wofür die beiden stehen, genau das ist es, was man wissen muss. Was man überhaupt nicht wissen muss, aber viel zu viele hyperventilierend mit bebender Hühnerbrust und in die Ecke gedrängter Zungenspitze glauben bemerken zu müssen: Das sind zwei attraktive Frauen.
Warum ich das bedauere? Nun, meine Arbeit ist es ja, einzutauchen in diese Menschen, mich in ihnen umzublicken, um das, was sie formt, zu beschreiben. Wenn ich mich in die zwei Frauen kippe, dann finde ich mich wieder in einen Raum, in dem viel erlaubt und nur wenig verboten ist. Glanz ist erlaubt, Gloria verboten. Jeder, der den Grundkurs Basiswissen Intelligente Lebensführung belegt hat, weiß, dass Schönheit vor allem mit einem nichts zu tun hat: dem, was auf der Netzhaut auftrifft. Schönheit hat immer und ausschließlich mit dem zu tun, was man empfindet – dem also, was uns erfreulich erschüttert. Das kann ein Kind sein, das kann eine Hagelwolke sein, niemals aber ein Pin-up, schon gar nicht die Tatsache, dass man zwei X-Chromosomen hat.
Die Welt neckt uns also mit oberflächlich Schönen. Doch das, was ganz oben schimmert, fault zuweilen boshaft in der Tiefe. Dagegen rühren die Schwestern an. Sie bewegen heiter die untersten Schichten, wühlen sie auf, bringen Licht und Leben dorthin, wo erbärmliche Poser niemals hinfinden. Ein herrliches Plätzchen, so ganz ohne abgespreizte kleine Finger. Keine Großuhrenträger. Kein Pommery als Mitbringsel. Niemand, der innerlich erigiert sein Auto in Sichtweite parkt. Menschen mit Ideen. Gut oder schlecht gekleidet? Scheißegal, solange keiner stinkt.
Obwohl auf den ersten Gedanken eher nicht passend, hätte sich auch eine Coco Chanel in dieser Gesellschaft ausgesprochen wohlgefühlt. Zu Zeiten, als Frauen hauptsächlich manierlich und abwaschbar zu sein hatten, propagierte sie wadenlange Röcke – ja sogar Hosen. Erfolgreich. Sie zeigte, dass der Kurzhaarschnitt sexy sein konnte, sie erfand das „kleine Schwarze“. Sie kreierte in den Zwanzigern No5, nicht wissend allerdings, dass es dieser Duft eines Tages Blinden möglich machen würde, eigenstilbefreite Louis- Vuitton-Handtaschenträgerinnen nicht nur am Kichern, sondern auch am uniformen Geruch aus sicherer Distanz zu erkennen. Coco könnte ob dieser Absurdität nächtelang mit den Sistas saufen, da bin ich mir sicher. Lasst uns also hoffen, dass die Karawane der Labelsäufer an den Mädels vorbeizieht und ihre Weine untergründig bleiben ... aber zurück zum Wesenskern dessen, worüber hier zu schreiben versucht wird:
Wein ohne Socken
Wenn es Sinn macht, im Zuge der Reflexion über Stefanie und Susanne über das Wesentliche zu schreiben, dann sollte man ihre Weine meinen, deren Schönheit barfüßig ist. Sie berühren dich aus der Hüfte heraus. Schönheit riecht nicht nach Nummer sieben. Schönheit schmeckt nach Salz und nicht nach künstlich aromatisiertem Lipgloss zwei plus eins gratis. Starke Weine ergeben sich nicht der Hauptströmung, sondern zahlen gerne den Preis, nicht der Liebling aller zu sein.
Schwache Weine sind wie Fieberzäpfchen: Sie zwängen sich in deinen Arsch, schmelzen, senken deine Hitze und hinterlassen nach kurzer Erleichterung den peinlichen Eindruck, unsittlich berührt worden zu sein. Die Weine der Rennersistas überrumpeln dich nicht von hinten, sie winken dich zu sich. Keine Gaukler. Wer rennersistas trinkt, sollte wissen, worauf er sich einlässt, sonst geht es ihm wie einem Yellow-Press-Abonnenten, wenn er am Gästeklo auf ein irritierendes Großformat trifft. Die Gnade des nichtindustriellen Tuns ist ja, dass man sein Produkt nicht in den todlangweiligen Geschmack der Masse hineinschleimen muss. Man kann es sich leisten, intelligent zu sein. Das ist auch Winzervater Helmuth zu verdanken – es ist ja alles andere als üblich, dass man seine Kinder einfach so gewähren lässt. Stattdessen bringen sich die meisten aus bornierter Eitelkeit um den Genuss einer gemeinsam gelebten Leidenschaft. So aber genießen Helmuth und Birgit nicht nur das erfreuliche Erblühen ihrer Saat, sondern wachsen selbst daran. Die Weine des Vaters und die der Töchter sind so von einer gemeinsamen Frequenz getragen, die zwar Unterschiedliches sendet, aber Verwandtschaft erspüren lässt. Das Gemeinsame als Interferenz.
Zulassen ist gewinnen.
Wer in den Weinen der Sistas Blümchen, Schmalz oder gelernte Sortentypizität sucht, hat sich auf die falsche Baustelle verirrt. Jodig, hefig, teeig, erdig, animalisch, krautig, pilzig. Nichts für Menschen, die nach dem Sex heftig duschen gehen, weil sie es nicht aushalten, wenn es nach dem riecht, was man getan hat. Wenn Sie Industrieparfüm geiler finden als den Geruch warmer, feuchter Menschenhaut, dann sollten Sie lieber Reißaus nehmen, wenn Sie von eine Flasche rennersistas bedroht werden. Wenn Sie allerdings Authentizität als das luxuriöseste Maß aller Dinge empfinden, dann werden Sie sich einen breiteren Flaschenhals wünschen – um sich reinzudrängeln in das, was so manch amtlichen Verkoster die Sicherungen raushaut.
Nachtrag im Sinne der Biodiversität:
Gemischtes Doppel: Georg wurde zur Schwester. Steffi und ihr leibhaftiger Bro Georg sind seit 2020 die neu arrangierten, gemischtgeschlechtlichen Sistas, während Susanne und Claus ein paar Höhenmeter weiter ihr Weingut Claus Preisinger führen. Wer sich jetzt nicht mehr auskennt – macht nichts, die Weine erklären sich immer noch von selbst.