Naturweine

Der Begriff Naturwein lässt den Umkehrschluss zu, dass es sich bei allen anderen Weinen um Kunstweine handelt – dem müssen wir widersprechen, da es eben nicht darum geht, die andere Seite schlechtzureden. Es geht darum, das eigene Tun besser zu gestalten. Zumindest aus unserer Sicht.

Die Diskussion ist nach wie vor leb-, hin und wieder auch boshaft, da mit vielen Vorurteilen jongliert wird. Die Überlegung, die den Natural Wines innewohnt, ist, das technische Korsett zu lösen, um die Weine zu entfesseln – um ihnen einen freieren, natürlicheren Lauf zu lassen. Das bedingt selbstverständlich eine gänzlich konträre Stilistik zu dem, was die meisten als „sauberen Wein“ kennen. Wenn man die zwei Stilrichtungen Klassisch und Natur als Persönlichkeiten beschreiben würde, dann wäre der Klassische sicher der Zivilisiertere, Angepasstere – ja vielleicht sogar Höflichere. Zur Höflichkeit gehören allerdings mitunter auch Dinge wie Notlüge, Schmeichelei oder das so tun, als ob – das den Schein wahren bzw. das „G’hört si“*.

Der Naturwein ist ein gänzlich anderer, weniger schmeichelhafter Charakter: wilder, roher, erdiger. Man schmeckt seine Lebendigkeit. Weiße Naturals riechen mitunter oxidativ, jodig, hefig, teeig. Rote wiederum können das Gefühl vermitteln, als ob man sich tief atmend flach auf den Waldboden legen würde. Erde statt Obstkorb, Unterholz, Blätter, Kräuter, Pilze – mitunter auch animalische Noten.

Wie entsteht so ein Charakter?

Weitgehend von selbst – und genau das ist die Herausforderung. Man lässt ihn ohne disziplinäre Eingriffe erwachsen werden: Er wird zwar biologisch bzw. biodynamisch begleitet, aber dabei nicht maßgeregelt – keine Korrekturen des Zucker- oder Säuregehaltes, kein künstlicher Hefezusatz, kein Enzymeinsatz, mäßige bis keine Filtration, keine Mostkonzentration oder Umkehrosmose. Die Arbeit des Winzers ist, sich mit aller Konsequenz zurückzuhalten und lediglich dafür zu sorgen, dass die Talente gefördert statt vergeudet werden. Das hört sich nun nach weniger Arbeit an, aber das Gegenteil ist der Fall. Damit die Trauben die erforderliche Qualität erreichen, ist ein hoher Aufwand mit deutlich erhöhtem Risiko erforderlich. Natürlich ablaufende Prozesse sind nun mal vielfältiger als technische. Der Mensch setzt lediglich die sehr bedeutsamen Impulse. Was am Ende herauskommt, ist im Gegensatz zur klassischen Vinifikation nur schwer bzw. mit großem Geschick vorhersehbar. Eigendynamik, Spontaneität und Vertrauen spielen dabei eine große Rolle.

Was unsere Winzer gemeinsam haben, ist ihre von Achtsamkeit getragene Leidenschaft, mit der sie im Paarlauf mit der Natur faszinierende Weine schaffen: durch biologische oder biodynamische Bewirtschaftung, durch Handlese, durch den Einsatz natürlicher Hefen und einem sehr bewussten Umgang mit dem Schwefeleinsatz. Selbstverständlich verwenden sie auch keine chemischen Dünger oder Herbizide.

... und nicht wenige behaupten, dass der solcherart gereifte Wein dem Menschen bekömmlicher begegnet als Weine, die technisch und chemisch geprägt sind. Aber das ist eigentlich nur logisch.

* sowohl ugs. österreichisch als auch bairisch für: das gehört sich so, gutes Benehmen

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